Der harmonisch-
Taktexperiment
Nehmen Sie ein beliebiges Musikstück, das zwischen 1650 und 1830 geschrieben wurde oder nehmen Sie eine Komposition von Frédéric Chopin. Jede Taktart und jedes Tempo ist geeignet.
Spielen Sie die Musik zunächst so, wie Sie es gewohnt sind und stellen Sie dann folgendes Experiment an:
Teilen Sie den Takt in exakt zwei Hälften. Die erste Hälfte beginnt naturgemäß mit dem Taktstrich, die zweite beginnt bei den geraden Taktarten mit einer Zählzeit; bei den ungeraden fällt der Beginn der zweiten Takthälfte zwischen die Zählzeiten. Lassen Sie sich davon nicht irritieren.
Beruhigen Sie nun die erste Takthälfte und lassen Sie die zweite sich so bewegen wie bisher. Legen Sie der ersten Takthälfte Zügel an und lockern Sie diese zum Beginn der zweiten Takthälfte; spielen sie diese Takthälfte minimal leiser als die erste. Zügeln Sie nun die erste Takthälfte so wenig, daß Sie den Unterschied in der Geschwindigkeit des Notenflusses gerade noch deutlich wahrnehmen.
Gleichen Sie nun den Unterschied im Bewegungsgrad dadurch aus, daß Sie beim Taktstrich den Fluß der Musik minimal anzögern. Nehmen Sie das Metronom zuhilfe, damit die zweite Takthälfte + diese 'Wartezeit' zusammen genauso lange dauern wie die erste Takthälfte.
Experimentieren Sie nun mit dem Ausmaß des Geschwindigkeits-
Halten Sie den Unterschied so gering, daß es nicht einmal Ihr Professor bzw. Ihr Kritiker wahrnehmen wird. Niemand außer Ihnen weiß, was Sie tun. Sie werden feststellen, daß man Sie für die Lebendigkeit ihres Spiels lobt.
Lassen Sie den Unterschied so groß ausfallen, daß es zwar der Kritiker merkt, nicht aber das Publikum. Sie werden feststellen, daß die Zuhörer während Ihrer Darbietung nicht die übliche "Klassikmiene" aufsetzen, sondern zu lächeln beginnen.
Beginnen Sie Ihre Recitals nach der ersten Methode und gehen Sie während des Konzerts in unmerklichen Schritten zur zweiten über.
