Home.
Einleitung.
Darstellung.
Hörbeispiele.
Daten.
English.
Über mich.
Kontakt & Impr..

Der harmonisch-authentische Takt

English

Die Einleitung des Buchs

Die Fresken der Sixtinischen Kapelle strahlen seit einigen Jahren in ihren ursprünglichen Farben. Restauratoren haben die bräunliche Schicht, mit welcher sich das Altarbild Michelangelos im Laufe der Jahrhunderte überzogen hatte, entfernt. Der Himmelshintergrund leuchtet wieder in reinem Blau. Die dargestellten Personen und ihre farbigen Gewänder heben sich aufs wunder-barste davon ab. So können wir das Jüngste Gericht wieder in seiner Schönheit genießen und uns von seinen Formen und Farben, ja seinem ganzen Inhalt ergreifen lassen.

Auch die Barockmusik ist in den letzten Jahrzehnten sozusagen restauriert worden. Die Ausgaben wurden von Zusätzen späterer Herausgeber gereinigt, der Urtext wiederhergestellt. Die Spielweise wurde an den musiktheoretischen Schriften des 17. und 18. Jahrhunderts neu ausgerichtet. Die Instrumenten-bauer orientieren sich an original erhaltenen Exemplaren der damaligen Zeit. So spielt man auf Originalinstrumenten, in originaler Spielweise und nach originalgetreuen Notentexten.

Aber eines wurde bei den Bemühungen, die Musik so aufzuführen, wie sie einst geklungen haben mag, unhinterfragt beim Herkömmlichen belassen: Der Takt. Die Literaturstellen, die darauf hinweisen, daß dieser nicht so gleichmäßig abgelaufen sein kann, wie es uns heute selbstverständlich erscheint, führten zu keiner Reform der heutigen Aufführungspraxis. Es gibt zwar vereinzelte Versuche, den modernen Takt infrage zu stellen, aber es fehlt ein Gesamtkonzept der alten Taktordnung.

An diesem Punkt setzt diese Schrift an. Sie entwickelt ein Taktsystem, das mit dem vereinbar ist, was wir über den Barocktakt wissen. Aber hier muß ich einem möglichen Mißverständnis vorbeugen. Niemand kann aus den Fundstellen der Literatur allein den Barocktakt synthetisieren. Die Befunde reichen dazu nicht hin. Der Barocktakt ist nicht so weit beschrieben, daß man aus seinen Charakterisierungen eine befriedigende Anleitung erstellen könnte. Auch die Zusammenschau aller Literaturstellen brächte nur ein mageres Ergebnis. Der Takt wurde anscheinend von Meister zu Schüler tradiert, aber nicht schriftlich fixiert. So wissen wir nur wenig darüber, wie dieser Takt im Wechsel seiner Zeiten vor sich gegangen ist. Beschränkten wir uns auf eine Wissenschaft, die Fakten - in diesem Fall Literaturstellen - sammelt und ordnet, müßte uns der Barocktakt, trotz einiger Befunde, ein Buch mit sieben Siegeln bleiben.

                                                             

 

Fortsetzung der Einleitung